Stadtgeschichte

Großer Markt

Der Große Markt in Saarlouis, ab 1680 unter Vauban als „Place d’Armes“ gebaut, misst von Gebäude zu Gebäude 144 m x 143 m, 2,06 ha, also in streng quadratisches Gleichmaß, zudem geordnet weitläufig, denn vier Brunnen zeigen genau die Himmelsrichtungen an, ein Beleg, dass die Stadt am Reißbrett entworfen wurde. Er war gegenüber der übrigen Fläche der Stadt, die von Stadttor zu Stadttor nur 450 m maß, stark überdimensioniert. Vorbilder für die Platzgestaltung gab es schon, mittelalterliche Städte in Flandern (Brügge, Ypern), Brüssel in Brabant oder italienische Städte wie Florenz, Venedig und Padua.

„Vue et Perspective de la Place d‘Armes de Sarrelouis suivant le Projet“ nannte Vauban seinen Entwurf. Mit der Achse Kirche-Gouverneursamtssitz, wo der Vertreter des Königs residierte, demonstriert der Platz, „Place d‘Armes“ genannt „…als gestaltete Einheit Größe und Herrschaft des Königs. Die von Vauban konzipierte barocke Raumgestaltung gründete auf dieser geordneten, durch die Art der Anlage der gleich aussehenden Bauten beeindruckenden Erscheinungsbild“, so in der Baugeschichte von Saarlouis 1890, S.24f, nachzulesen und zu sehen. 12 Straßen öffneten den Zugang zu allen Einrichtungen der Stadt. „Was einem Fürsten Anstoß und Anregung liefern sollte – der freie Raum…, die sorgfältig bedachten Perspektiven, die in diesem leeren Rahmen herrschende relative Stille, die Konzentration der Gewalten ringsum – hat auch für den Mann aus dem Volk bis heute seinen Reiz behalten“, so heißt es im Ausstellungskatalog „Saarlouis 1680 – 1980“, 72f.

Heutzutage ist der Platz größtenteils versiegelt. Ein Klimagutachten hat 2022 ergeben, dass sich die Asphaltfläche auf über 60° aufheizt! Und in meinen 36 Jahren über dem Markt im zweiten Stock des Rathauses musste ich jedes Jahr mit ansehen, wie Platanen ersetzt werden mussten, zum Ende hin immer mehr, einmal mussten 13 Bäume gefällt und neue gesetzt werden. Grund, Stress, kaum unversiegelte Fläche und jedes Jahr ein Formschnitt.

2022 gab es einen Ideenwettbewerb, das Büro Dutt + Kist aus Saarbrücken hat den 1. Preis gewonnen. Ob sich durchsetzen wird, dass der Markt tatsächlich in naher Zukunft von Autos befreit und entsiegelt wird? Es deutet alles auf Bauabschnitte hin, Zug um Zug, eine gewisse Entsiegelung mit Rigolen, die Sichtbarmachung der Achse Kirche – Kommandantur, auch mit der Verringerung der Parkplätze. Ein kleiner Bereich ist bereits teileingezogen, dem Verkehr zu Fuß und mit dem Rad gewidmet. Es finden sich Fahrradboxen dort, mit Sedum bepflanzt. Ein Tourist meinte mir gegenüber jedenfalls mal, wieso sei denn dieser schöne Platz mit Autos zugerumpelt?

Bäume standen ursprünglich nicht am Platz, 1766 wurde ein Laubengang abgelehnt. Die Grünkulisse gab es erst ab 1781, Linden, aber auch nicht umfassend, die Soldaten brauchten Platz zum Üben. Erst 1900 wurden die Platanen gepflanzt, ein Foto von 1900 zeigt vor der Kommandantur die kleinen Stämmchen. Nun also sollen möglichst mindestens jeweils eine Autoreihe wegfallen, zwei weitere Baumreihen gepflanzt werden. vorerst, nur die Klimakrise könnte auch zu neuen Lösungen führen, das Zauberwort ist „Schwammstadt“. Öffentliche Trinkwasserbrunnen gibt es jedenfalls bereits, seit 1843 stehen die Steinbrunnen schon an den vier Ecken des Platzes, vorher waren es Holzbrunnen. Und aus allen vier sprudelt inzwischen wieder Trinkwasser.

Der eigentliche Platz war damals in vier Quadrate mit 24 x 24 Toises geteilt (47 m x 47 m), insgesamt 0,87 ha. Die Angabe von 1 ha hat nie gestimmt. In der Mitte stand ein Brunnen mit einem Standbild von Louis XIV., alles absolutistische Symbolik. Sehr her, ich bin 24 Stunden für euch da, weniger die Binse der Tag hat 24 Stunden. Louis XIV besichtigte die Stadt am 7. Juli 1983 mit Königin, Dauphin, seinem Bruder, dem Herzog von Orléans, und Gefolge, übernachtet wurde in Vaudrevange nebenan, 27.000 Franken soll die Übernachtung gekostet haben.

Bis etwa 1860 besaß er auch ein einheitliches Bild mit einer zweistöckigen Bebauung, lediglich der barocke Turm der Kirche Sankt Ludwig ragte über die Stadt hinaus. Der Grund war weltlich, denn er diente der Garnison auch als Beobachtungsturm. 1864 musste das barocke Kirchenschiff von Sankt Ludwig erneuert werden, eine neugotische Hallenkirche entstand, was schon die Proportionen sprengte. Als dann 1880 am Vorabend der 200 – Jahr – Feier der Kirchturm abbrannte und 1885 durch einen heute noch vorhandenen neugotischen ersetzt wurde, war das einheitliche Bild für immer zerstört, zumal schon vorher die ersten Gebäude erhöht wurden und die bauliche Geschlossenheit verloren ging. Es waren nicht mehr nur barocke Gebäude vorhanden, sondern auch der Historismus hielt Einzug.

Der Turm der Kirche Sankt Ludwig
Der Turm der Kirche Sankt Ludwig

Bis zum heutigen Tage flankieren zwei angebaute Wohn- und Geschäftshäuser die Fassade der Kirche sowohl in der Petrusstraße als auch in der Paulusstraße, ebenfalls nach dem Brand 1880 renoviert. Die zweistöckigen Profangebäude bilden zusammen mit dem Sakralbau in der Silhouetten-Höhenlinie des Gesamtensembles einen pyramidalen Aufbau und scheinen die aufstrebende neogotische Architektur der Kirche zusammenzuhalten und zu stützen.

1964 musste das gerade 100 Jahre alte Kirchenschiff wieder abgerissen. Für den Neubau des Kirchengebäudes wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben worden, aus dem am 9. Februar 1965 der Architekt Gottfried Böhm als Sieger hervor ging. Nach Pfahlgründungen begannen 1967 die Bauarbeiten. Die feierliche Einweihungsfeier fand am 29. August 1970, im 700. Todesjahr des heiligen Ludwig statt. Böhm schuf als neues Kirchenschiff einen Betonbau, die in den Stadtraum hinein durch ihre sich auftürmende, kristalline Dachlandschaft massive Wirkung entfaltet und den Betrachter überwältigen soll, der Baustil nennt sich Brutalismus. Auch heute noch gibt es sehr verschiedene Ansichten über den Kirchenbau, bei Stadtführungen oft zu hören.

Der Turm der Kirche Sankt Ludwig im Morgenrot
Der Turm der Kirche Sankt Ludwig im Morgenrot

Das zweistöckige Rathaus, das schräg gegenüber dem neuen Rathaus dort stand, wo sich heute eine Buchhandlung befindet, wurde 1879 um ein Geschoß erhöht. Im zweiten Weltkrieg zerstört, entstand dort Anfang der 60er – Jahre das heutige architektonisch nicht sehr ansehnliche vierstöckige Gebäude (ehemals JOKA). 1890 entstand ein architektonisch wenig ansprechendes Gebäude am heutigen Standort der KSK – das kaiserliche Postamt, das am 15.12.1892 eingeweiht wurde. Da nicht unter Denkmalschutz stehend, konnte die Stadtsparkasse es abreißen lassen, mit einigen anderen durchaus erhaltenswerten Gebäuden, und den noch heute zu sehenden fünfstöckigen Neubau 1977 errichten.

Historische Ansicht mit Rathaus, Kirche und Post (1892); Gut zu sehen, wie sich die Proportionen der ehemals zweigeschossigen Bebauung verschoben haben verschoben haben
Historische Ansicht mit Rathaus, Kirche und Post (1892); Gut zu sehen, wie sich die Proportionen der ehemals zweigeschossigen Bebauung verschoben haben verschoben haben

Das neue Rathaus wurde an der Nordwestseite des Großen Marktes in den Jahren 1951 bis 1954 nach Plänen des Saarlouiser Oberbaurates Peter Focht (1907-1987) errichtet. Herausragende stilistische Merkmale, die Vorhangfassade aus gesägten Kalksteinplatten, ein Mezzanin (Attikageschoss), das extrem flaches Walmdach (Dach scheint zu schweben), der aus dem Gebäude herauswachsender Turm als filigraner Bergfried und über der Eingangstür ein rechteckiger Erker (Risalit). Der schlichte neoklassizistische Betonskelettbau wurde mit Sandsteinplatten aus den Steinbrüchen bei Chauvigny (Südfrankreich, bei Poitiers) verkleidet. Das Erdgeschoss wurde weit zurückgesetzt und der vorkragende Baukörper der Obergeschosse von schmalen Rundsäulen gestützt. So entstand eine umlaufende Kolonnade (nicht: Arkade!). Stadtbildprägendes Element ist ein mächtiger, vorspringender Uhrenturm mit flachem Pyramidendach, dessen Fassaden sich in den beiden den Kernbau überragenden obersten Geschossen in ein Betonskelett auflösen. Dort befindet sich auch ein Glockenspiel (25 bronzene Glocken). Darüber eine kürzlich restaurierte metallene Sonne – Symbol des Stadtgründers, des Sonnenkönigs Ludwig XIV. Die Schmalseite in der Deutschen Straße mit dem 27 Meter hohen Glocken- und Uhrturm ist im ersten und zweiten Obergeschoss von großflächigen, zweigeschossigen Fenstern bestimmt, die den Ratssaal belichten.

Rathausturm
Rathausturm

 

Gouverneursgebäude von 1683 in prächtigem Funktionsbarock.

Die Post zog 1927 in die 1683 entstandene Kommandantur, ein ansprechendes Gebäude im Funktionsbarock, um. Diese wiederum wurde wegen Baufälligkeit abgerissen und von der Bundespost als vollständige Replik um 1,50 m nach hinten versetzt wieder aufgebaut, Eröffnung 15.07.1976. Inzwischen steht das Gelände im Eigentum der Firma Pieper, Buchladen und Schreibwaren, die Post ist nur noch Mieter.
Die herausgehobene Funktion im Ensemble Großer Markt kommt daher nicht mehr so stark zur Geltung.

Blick auf die alte Kommandantur
Blick auf die alte Kommandantur

Allerdings wurde viel von der alten Bausubstanz wieder verwendet, äußerlich gut zu erkennen sind so die Original-Balkongeländer mit den Buchstaben „L“ und „B“ für „Louis Bourbon“. Trotz der fehlenden Ausschmückung ist das zweigeschossige Bauwerk – Rez-de-chaussée und 1. Stock – mit Mansarddach eines der schönsten Gebäude der Stadt. 11 Achsen sind zu erkennen. Die Mittelachse ist nur dezent betont, nur wenig springen die beiden durch Fugenschnitte akzentuierten Mittelrisalite hervor. Diese Achse besaß ein von Pilastern flankiertes großes Portal zum Durchfahren und einen Balkon. Die Fenster des Gebäudes haben rechteckige Rahmungen und mit Tryglyphen ornamentierte Sockel, die auf den Geschossbändern aufsitzen.

Replik der Kommandantur
Replik der Kommandantur

Für die Versorgung der Stadt hatte der Platz auch Bedeutung. An der Ecke Weißkreuzstraße stand die Garnisonsbäckerei, auf dem Festungsplan 1767 gut zu erkennen (58), ab 1717 mit 10 Öfen und einer Kapazität von 48.300 Anderthalbpfünder-Broten, später waren es erheblich weniger, es gab schließlich 1850 schon Kartoffeln. Insgesamt wurden in der Stadt 1717 täglich 78.000 Brote produziert. Es dürfte etwa 3.600 Soldaten und über 3.000 Bürger in der Festung gegeben haben, genaue Zahlen gibt es nicht.

Festungsplan 1767: gut zu erkennen, die Garnisonsbäckerei zwischen Frz. und Weißkreuzstraße; gallica.bnf.fr/Bibliothèque nationale de France
Festungsplan 1767: gut zu erkennen, die Garnisonsbäckerei zwischen Frz. und Weißkreuzstraße; gallica.bnf.fr/Bibliothèque nationale de France

Der Platz diente seit 1683 auch als Hinrichtungsplatz, einen Henker gab es bis zum Ende der französischen Revolution. Während der französischen Revolution wurden 13 Saarlouiser Bürger hingerichtet, darunter zwei durch eine fahrbare Guillotine auf dem Großen Markt, unter großer Teilnahme der Bevölkerung. Zum einen am 11.1.1794 Leutnant Pierre Laissement wegen antirevolutionärer Reden, zum anderen der Nationalgendarm Barthélmy Constant am 15.4.1794.

Einen Jakobinerclub gab es ebenfalls in Saarlouis, die Ludwigskirche wurde 1794 zum Tempel der Vernunft erklärt, alle religiösen Zeichen entfernt. Anstelle der christlichen Kultur sollte die reine Vernunft geehrt werden. Am Nationalfeiertag 14. Juli thronte die schöne Apothekersgattin Marguérite Toussaint vor dem Gouvernementsgebäude nackt unter einem prächtigen Baldachin und wurde inthronisiert, nachdem sie vorher nackt durch die Straßen getragen wurde, und anschließend auf dem Altar der Kirche. Die Menge tanzte um einen Freiheitsbaum, grölte Lieder der Revolution.

Marienbrunnen

Bleibt noch ein prägender Bestandteil des Platzes, der Marienbrunnen, ist eigentlich ein eigenes Thema. Der Marienbrunnen wurde im Juni 1956 vollendet. Oberbauleitung Oberbaurat Peter Focht (1907-1987). Die Idee dazu entstand 1953/1954 im Marianischen Jahr. Er erinnert an das Jahrhundertjubiläum der feierlichen Verkündung des Dogmas der Unbefleckten Empfängnis im Jahre 1854 durch Papst Pius XII. sowie an das von Pius XII. im Jahr 1950 verkündete Dogma der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel. Er gehört zu einer ganzen Reihe von 1954 entstandenen marianischen Denkmälern im Saarland, so dem Kirchturm „Marienturm“ in Fraulautern und der marianischen Anlage auf dem Ensdorfer Hasenberg. Ministerpräsident Johannes Hoffmann, CVP und tiefgläubig, wollte den christlichen Glauben fördern, auch als Überwindung der antihumanistischen NS-Diktatur und als Schutzschild gegen kommunistische Strömungen. Die „nationalsaarländische“ Identität im Saarland sollte so entwickelt werden, da es sowieso stark katholisch geprägt war. Vertreter der evangelischen Kirche protestierten jedoch gegen diese einseitige Konfessionalisierung. Auch die andere christlich geprägte Partei an der Saar, die CDU unter Dr. Ney, trat dem entgegen. Heute liegen beide ehemaligen Ministerpräsidenten einträchtig auf dem Friedhof Neue Welt zusammen.

Der Marienbrunnen in der Weihnachtszeit
Der Marienbrunnen in der Weihnachtszeit

 

Eckbrunnen

Von Beginn an gab es vier Eckbrunnen am Markt, welche die vier Himmelsrichtungen anzeigen.  1843 wurden die maroden Holzbrunnen durch die heutigen Brunnen aus Stein ersetzt. Inzwischen sprudelt wieder aus allen Brunnen Trinkwasser.

Eckbrunnen im Norden, 1843
Eckbrunnen im Norden, 1843

Kriegerdenkmal

1928 entstand erstmal eine Skulptur auf dem Markt. Das Ehrenmal wurde von der Bürgerschaft der Stadt Saarlouis ursprünglich auf dem Großen Markt vor der Kommandantur für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges errichtet und erhielt später zusätzlich eine Widmung für die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs. Auf dem Obelisken steht eine nackte Kriegerfigur. Das Denkmal wurde am 30. September enthüllt, wobei auch Prälat Subtil als Vertreter der Kirche am Rednerpult stand. Ein knappes Jahrzehnt später wurde das Standbild dann ans Landratsamt verlegt, wo es heute noch steht.

Gefallenendenkmal von 1928, ca. 1930
Gefallenendenkmal von 1928, ca. 1930

Die Überflutung der Innenstadt 1847 und 1947 sind an der alten Kommandantur dokumentiert.

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Großer MarktMärkte

Es gibt eine lange Tradition mit Märkten in Saarlouis. Heute noch gibt es Markttage, Dienstag und Freitag ab 1682, zunächst im Hof des Gouvernement-Gebäudes, ab 1720 auf zwei Vierteln des Großen Marktes. Der Bauernmarkt samstags ist 1996 dazu gekommen. 1683 erhielt Saarlouis von Ludwig XIV. die alten Wallerfanger Marktrechte übertragen, zudem wurden vier mehrtägige Jahrmärkte übernommen, die Choisy um zwei weitere ergänzte. Alle diese Märkte hatten zumindest bis zur französischen Revolution Bestand. Ab 1801 kommt ein monatlicher Viehmarkt hinzu. In preußischer Zeit wurden zunächst nur die beiden Wochenmärkte fortgeführt, ab 1840 werden nach und nach wieder Jahrmärkte zugelassen.

 

Bürgermeister Latz geht in seiner Festschrift zum 250jährigen Jubiläum auf die bedeutende Rolle von Saarlouis als Marktstadt an. Nach 1870 wuchs die Bedeutung, weil Lothringen noch enger in das Interessengebiet der Stadt einbezogen wurde. Welche Bedeutung die Märkte hatten, zeigt eine Übersicht über die Freitagsmärkte. Vom 02. September bis 25. November 1882 fuhr eine stattliche Zahl von 4.907 Wagen mit Früchten und Kartoffeln den jeweiligen Markt an 13 Tagen an. Durchschnittlich waren das 337 Wagen mit 9.275 Zentner Gemüse, Früchte und Kartoffeln für den Markttag, am 18. November fuhren den Markt 454 Wagen an. Gleichzeitig beklagte Bürgermeister Latz, dass 1930 im Herbst höchstens nur noch 30-50 Wagen freitags anfuhren. Was heutzutage mehr als erfreulich wäre.

 

Zwischen Jahrhundertwende und 1. Weltkrieg wurden auf dem Großen Markt alljährlich 10 Vieh- und vier Krammärkte abgehalten. Der Viehauftrieb soll sich 1907 auf insgesamt 3.383 Stück Rindvieh, 5.620 Kälber, 354 Schafe, 1.540 Schweine und 41.090 Ferkel belaufen haben, berichtet Hans Jörg Schu in seinem Buch über den Großen Markt. Nach dem 2. Weltkrieg beschränkte sich das Angebot dann nur noch auf Kleinvieh. An Ostern und zur Ludwigskirmes blieben zwei Krammärkte bestehen.

 

1976 scheiterte die Stadtverwaltung zunächst damit, die Wochenmärkte in die Fußgängerzone zu verlegen, war aber letztendlich erfolgreich mit der Verlegung, die Marktstände wurden aber immer weniger. Kürzlich gab es wieder die Idee, den Markt wieder auf den Platz zurückzuverlegen. Vergebliche Liebesmüh!

 

Ein Weihnachtsmarkt startete zunächst auf dem Großen Markt, wurde dann aber 2008 auf den Kleinen Markt verlegt.

 

Das Militär wollte gelegentlich die Nutzung als Marktplatz beschränken. 1883 scheiterte die Kommandantur z.B. damit, den Markt vor die evangelische Kirche zu verlegen, eine Eingabe der Stadt hatte 1885 Erfolg.

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Was nicht realisiert wurde und „vorläufige“ Platzgestaltung

Es gab immer wieder Pläne, den Großen Markt auch anders zu nutzen. Prof. Schmidt aus Trier scheiterte unter OB Hans-Joachim Fontaine 2000 mit seinen Plänen, vier Pavillons an den Marktecken zu errichten – gläserne, hinterleuchtete grünlich gefärbte Hüllen, gebilligt durch das staatl. Konservatoramt. Zudem sollten die Rostwurstbuden, eine Saarlouiser Institution, weg. Rund 390.000 DM betrugen allein die Honorare für die Architektenleistungen (Großer Markt, Frz. Straße/Sonnenstraße und Neugestaltung Kleiner Markt). Er hatte ab 1996/97 praktisch die ganze zentrale Innenstadt überplant. 1997 scheiterte die Überdachung der Frz. Straße, sie wurde 1998 in der heutigen Form gestaltet, wobei die Baumreihe stark umstritten war. Im August 2000 scheiterte auch eine von OB Fontaine vorgelegte überarbeitete Planung. Am 17.08.2000 wurde ein Bürgerbegehren gegen die Planungen auf dem Großen Markt eingereicht.

 

Der Stadtrat fasste in seiner Sitzung am 24.08.2000 folgende Beschlüsse:

1. Der Stadtrat stellt fest, dass das Bürgerbegehren zulässig ist.

2. Der Stadtratsbeschluß vom 20.06.2000 zu Tagesordnungspunkt 4 Nr. 4: “Der Stadtrat hält an der von Prof. Schmidt vorgeschlagenen Konzeption der Eckbebauung fest. Begonnen werden soll auf der Kirchenseite, und zwar vor dem Rathaus; die Weiterführung erfolgt an der Ecke Silberherzstraße“ wird aufgehoben.

3. Die Ecken des Großen Marktes werden nicht nach der vorgeschlagenen Konzeption von Prof. Schmidt (Eck-Pavillons) bebaut. Dem Bürgerbegehren ist damit entsprochen. Ein Bürgerentscheid findet nicht statt.

 

2002/2003 entstanden dann Pläne, im Rahmen eines Parkkonzeptes Innenstadt – verbunden mit einer Machbarkeitsstudie, eine Tiefgarage unter dem Großen Markt zu bauen (Vergabe 12. September 2002 an die ARGE GIVT Gesellschaft für Innovative VerkehrsTechnologien mbH, Berlin / Anselment, Möller + Partner GmbH, Karlsruhe / Dipl.- Ing. Steinbach, ehemaliger Baudirektor Wiesbaden). Das Planungskonzept sah eine 3-geschossige Tiefgarage für ca. 375 Stellplätze in zwei Parkgassen im NO-Bereich des Großen Marktes parallel zur Verlängerung der Deutschen Straße vor. Der schmale Baukörper von ca. 32,00 m Breite und 95,00 m Länge optimierte im Hinblick auf Parkplatzgeometrie, Flächen- und Raumbedarf die Forderungen nach Wirtschaftlichkeit des Konstruktionsaufwandes. Die symmetrische Anordnung der notwendigen Treppenhäuser, Aufzüge und Lüftungsöffnungen hätte eine städtebauliche Integration in die Gestaltung der Platzoberfläche als Teil einer pavillionartigen Baustruktur innerhalb der Platanenalleen ermöglicht. Die Ein- und Ausfahrt sollte von der Pavillionstraße aus unter dem Rathaus hindurch in das 3. UG des Parkhauses erfolgen, 10 Parkplätze im Innenhof wären weggefallen. Am 5.12.2002 gab es noch einen Zwischenbericht. Die Pläne wurden nie konkret angegangen, das Verkehrsgutachten schlummerte vor sich hin. Kosten: rund 100.000 €.

Asphaltfläche

Aber nun doch noch etwas Geschichte. Die vollständige Versiegelung des Platzes mit Betonplatten „schenkte“ Adolf Hitler der Stadt 1937, ausführendes Unternehmen war die Firma Kronenberger aus Beaumarais. Bis dahin waren nur die Achsen und zwei Quadrate gepflastert, mit „Powei“, viele können sich bestimmt noch an die Achse Kirche-Kommandantur mit diesen Powei erinnern. 2002 erfolgte die auf vier Jahre ausgelegte „vorübergehende“ Asphaltierung über die Betonplatten, die heute noch vorhanden ist. Dabei ging auch die Achse Kirche-Alte Kommandantur verloren. Die Powei der Achse finden sich heute an der von der Saarlouiser Bildhauerin Regina Zapp gestalteten Brunnenanlage mit Pilz in den Wallanlagen (2003).

Literatur gibt es auch, Hans Jörg Schu mit seinem Buch „Der große Markt in Saarlouis“, 1986.
Alfred Gulden, Auf dem großen Markt. Erzählungen von einem Ort an der Grenze, 1977.

 

 

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Blick über den Großen Markt, von Haus zu Haus 144 m x 143 m groß
Blick über den Großen Markt, von Haus zu Haus 144 m x 143 m groß

Stadtführungen in Saarlouis

Die Tourist-Info macht mit folgendem Text auf Stadtführungen aufmerksam:
„Stadtführungen sind die ideale Möglichkeit, sachkundig und unterhaltsam in die spannende Saarlouiser Geschichte einzusteigen und gemeinsam mit erfahrenen Gästeführern die beliebtesten Orte der Stadt zu erkunden.“
Dazu mal eine verfügbare Statistik aus 2023, 116 gebuchte Führungen wurden durchgeführt, dazu 51 offene Führungen, insgesamt nahmen 2.837 Personen teil. Verschiedene Sonderführungen gab es auch, so eine stark nachgefragte Führung entlang der Ringstraßen. Beim alten Friedhof sucht man nicht vergeblich, die Volkshochschule Saarlouis bot zwei Führungen an, aber bei einer üblichen Stadtführung ist es nicht möglich, ihn anzusteuern, ebenso wird die jüdische Geschichte der Stadt  nur gelegentlich beleuchtet.  Aktiv dürften noch etwas mehr als 15 Gästeführer und Gästeführerinnen sein, wie sie offiziell heißen. Alle hatten eine Ausbildung mit Zertifikat absolviert, ob jetzt Kunsthistorikerin, Historiker, Amtsleiter der Stadt oder sonstige Interessierte, wobei der Leiter der städtischen Denkmalpflege, Jürgen Baus,  des Öfteren Festungsführungen ohne Zertifikat durchführt.  Drei ehemalige Amtsleiter der Stadt, zertifizierte Gästeführer, sind auch noch aktiv.
Naturgemäß sind die Schwerpunkte der Gästeführer(innen) sehr unterschiedlich, die einen informieren ausführlich in der Kirche Sankt Ludwig oder im Rathaus, andere setzen davon abweichende Schwerpunkte. Bei den offenen Führungen wissen Interessierte also nie, was sie erwartet. Allerdings ist es immer so, dass auch Einheimische für sie Unbekanntes und Aspekte, die sie so nicht kannten, hören und sehen.
Was die Festungsanlagen betrifft, gab es im Rathaus ein Team, das insbesondere fast 15 Jahre ab 2007 am Projekt Ravelin V gearbeitet hat und beteiligt war. Stadtführungen  mit Informationen aus erster Hand zur Restaurierung von Festungsanlagen – beginnend mit den Kasematten 2003 – machen jedoch nur Jürgen Baus  und ich, lange Jahre schrieb ich alle Vorlagen unter Einarbeitung  der Textbausteine aus dem Team. Insofern weder für Jürgen noch mich ein Problem, zwei Stunden über das Projekt Ravelin zu erzählen, beginnend mit dem Rückkauf des Grundstückes  von der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GBS, deren Wohnungsbau-Projekt – zum Glück – scheiterte, der Abwicklung der Entschädigung der Gesellschaft, der Planungsphase,  dem enormen Aufwand zur Erlangung von Zuschüssen bis zur Realisierung mit Fertigstellung 2020. Kürzlich führten wir zusammen 100 Studenten und Studentinnen der HTW durch das Ravelin, über die Bastion und zur Vaubaninsel. Dort sollten sie im Rahmen der Baukonstruktion jeweils einen Veranstaltungspavillon aus Holz entwerfen, ein vermessener Plan stand schon auf der Webseite bereit. Ob die temporäre hässliche Bühne dort durch die geforderte transportable Holzkonstruktion ersetzt werden könnte?  Man wird sehen, die Denkmalpflege hat ein gewichtiges Wort mit zu reden.
Das alleine ist jedoch eher ein Thema für Sonderführungen. Darüber hinaus hat Saarlouis noch viel mehr zu bieten, das Buch „Chronik der Stadt Saarlouis 1680-2006“ gibt einen Abriss zur Stadtgeschichte und den Themen, die angesprochen werden könnten und sollten. Zu kurz kommt bei Führungen jedoch oft die Gründerzeit mit der Entwicklung der „neuen Stadt“ von 1890-1906, beginnend am Kleinen Markt nach Niederlegung des Französischen Tores.  Ebenso die jüdische Geschichte der Stadt ab 1685, als die beiden ersten Familien ansässig wurden, es gibt bedeutende Persönlichkeiten über das jüdische Leben hinaus, die heutzutage eher vergessen sind. Es lohnt sich, deren Lebensgeschichten zu erzählen.
Vor kurzem führte ich eine 9. Klasse des Saarbrücker Ludwigsgymnasiums durch Saarlouis, die Aspekte der jüdischen Geschichte interessierte die Schüler und Schülerinnen am Esther-Bejarano-Platz schon sehr.
Demnächst starten auch 5G-Führungen mit Hololens-Brillen; französisches und deutsches Tor, Ludwigskirche, Schleusenbrücke und Bastion VI erscheinen virtuell dreidimensional vor den Augen der Gäste. Am 28. Oktober 2024 ist eine Pressekonferenz angesetzt, 5 Führungen im Januar und Februar sind schon terminiert. Schon seltsam, durch das Französische Tor zu gehen, in die Nebenräume kann man durch die Türen oder auch…durch die Mauern gehen 😉. Geduldsspiel, ob die Internetverbindung für die so genannten Ankerpunkte steht, eine geschlossene Tür an der Kirche Sankt Ludwig zwingt schon zum Improvisieren, aber auch das alles kann man überspielen, wie sich heraus gestellt hat. Die erste echte Probe-Führung mit auswärtigen Gästen hat schon stattgefunden, dazu zwei weitere mit Beschäftigten aus städtischen Ämtern.
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Die offenen Führungen beginnen  jeden Samstag ab 11 Uhr  an der Tourist-Info, Kostenbeitrag 3 €, auch schon, wenn nur 2 Personen da sind.
Die Replik der alten Kommandantur,  ab 1973 neu gebaut und 1976 vollendet,
Blick in die Schleusenkammer der alten Schleusenbrücke, 1777
Vom Kleinen Markt aus wurde ab 1890 die „Neue Stadt“ gebaut. Dieses wunderbare Haus Lisdorfer Straße 2 wurde 1900 errichtet.
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